Geschichte des Frauenstudiums an der Universität Graz
Viele Anstrengungen und Kämpfe stehen im Hintergrund, wenn es um Mädchen- und Frauenbildung geht. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich Frauen aus der bürgerlichen Schicht und der ArbeiterInnenschicht dafür eingesetzt, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen ungehinderten Zugang zu Bildung, Ausbildung und Lehre haben. Universitäten waren lange ausschließlich Männern vorbehalten und bis weit in das 20. Jahrhundert hinein wurden Frauen, obwohl zugelassen, bestenfalls als Exotinnen, vielfach als Störfaktor behandelt. Ein Aufstieg als Lehrende an Universitäten blieb ihnen in den meisten Wissenschaftszweigen aufgrund ihres Geschlechts lange verwehrt. Viele heute als Diskriminierung erkannte Verhaltensweisen wurden als normal angesehen und erst die Frauenbewegung der 1970er Jahre brachte eine echte Wende in den Geschlechterverhältnissen. Die Kämpfe und Proteste der Studentinnen, die Forderungen und vielfachen jahrelangen Anstrengungen der Universitätsassistentinnen und die Unterstützung aus einem patriarchatskritischen Teil der Politik führten seither zu einer langsamen, schrittweisen Reform der Universitäten, die durchaus in Zahlen sichtbar wird.
- 1585 – 1897 Ausschluss von Frauen als ordentliche Hörerinnen in 312 Jahren seit der Gründung der Universität Graz
- 1774 Schulpflicht für „beyderley Geschlecht“ (Allg. Schulordnung der Kaiserin Maria Theresia)
- 1867 Erstmals werden Frauen an einer europäischen Universität zum regulären Studium mit Abschluss zugelassen: Zürich
- 1873 Errichtung des ersten sechsklassigen „Mädchenlyzeums“ der Donaumonarchie in Graz (ohne Recht, die Reifeprüfung abzuhalten)
- 1896 Externisten-Reifeprüfungen werden für Frauen an (Knaben)Gymnasien möglich
- 1897 Zulassung von Frauen als ordentliche Hörerinnen an den Philosophischen Fakultäten der k.k. Universitäten
- 1898 Zulassung der ersten ordentlichen Hörerin an der Universität Graz: Seraphine Puchleitner
- 1900 Zulassung von Frauen als ordentliche Hörerinnen an den Medizinischen Fakultäten der k.k. Universitäten
- 1902 Erste Promotion an der Universität Graz: Seraphine Puchleitner, Geographie
- 1905 Promotion der ersten praktizierenden Ärztin in Graz: Oktavia Aigner-Rollett
- 1907 Erste Habilitation einer Frau in der k.k. Monarchie (Wien): Elise Richter (ermordet 1943 in Theresienstadt)
- 1912 Erste Mädchengymnasien mit regulärer Matura inklusive Universitätsreife in Österreich werden zugelassen
- 1918 Zulassung von Frauen als ordentliche Hörerinnen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten
- 1920 Zurückweisung - aufgrund ihres Geschlechts - des Habilitationsgesuchs von Christine Touaillon, Germanistin, durch die Philosophische Fakultät der Universität Graz
- 1929 Erste Habilitation an der Universität Graz: Dora Börner-Patzelt, Histologie und Embryologie
- 1934 Erste Habilitation einer Physikerin an der Universität Graz: Angelika Szekely, Experimentalphysik
- 1938 bis 1945 wurden vom nationalsozialistischen Terrorregime jüdische Lehrende und Studierende ausgeschlossen bzw. ausgewiesen
- 1945 Zulassung von Frauen zum Studium an den Katholisch-Theologischen Fakultäten in Österreich
- 1949 Carla Zawisch-Ossenitz, Histologin, wird zur ersten ordentlichen Professorin der Universität Graz ernannt
- 1970er Die zweite Frauenbewegung bestimmt immer mehr das öffentliche Leben mit. Universitäten werden als Hochburg des Patriarchats identifiziert.
- 1970 Anteil der Studentinnen der Universität Graz an der Gesamtzahl der Studierenden liegt bei 32%
- 1970 Anteil der Professorinnen der Universität Graz an der Gesamtzahl der Professuren liegt bei 2%. Eine bemerkenswerte Steigerung erfolgte erst 1973, als die Anzahl der Professorinnen sechs (um 3%) erreichte. Doch bei diesem Stand blieb es in etwa für die nächsten zwei Jahrzehnte.
- 1971 Bildungsoffensive der SPÖ-Alleinregierung – es beginnt eine „Bildungsrevolution“ der Frauen
- 1975 Laut 5. SCHOG-Novelle stehen nun alle Schultypen beiden Geschlechtern offen
- 1975 Das neue Universitätsgesetz verändert das alte patriarchale humboldtianische Universitätsmodell (Ordinarienuniversität) in eine Gruppenuniversität, die demokratischere Strukturen von Repräsentation und Entscheidungsmacht ermöglicht. Die Frauenbewegung als externer Faktor öffnet an den Universitäten ein Fenster von Veränderungsmöglichkeiten in Richtung Gleichstellung.
- 1989 Erste österreichische Wissenschafterinnentagung in Baden bei Wien
- 1990 Beginn des gesetzlichen Diskriminierungsschutzes von Frauen an Universitäten: Gesetzesnovelle zur Einrichtung der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen an Universitäten.
- 1991 Veröffentlichung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Frauen an den Hochschulen“ der Österreichischen Rektorenkonferenz mit Empfehlungen zur Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses, zum Abbau der Zugangsprobleme zum Wissenschaftssystem sowie zur Sicherstellung der Berücksichtigung von Frauen bei gleicher Qualifikation.
- 1993 Das Bundesgleichbehandlungsgesetz wird erlassen
- 1993 Am Institut für Germanistik der Universität Graz konnte sich die erste Frau habilitieren: Beatrix Müller-Kampel
- 2001 Die Karl-Franzens-Universität beschließt ein Leitbild, das Gleichstellung, Gleichbehandlung und Frauenförderung beinhaltet.
- 2002 Anteil der Studentinnen der Universität Graz an der Gesamtzahl der Studierenden liegt bei 61%
- 2002 Anteil der Professorinnen der Universität Graz an der Gesamtzahl der Professuren liegt bei 7%
- 2003 Broschüre „Zahlen, Fakten, Analysen - Chancengleichheit an der Uni Graz“ erscheint erstmals
- 2007 Start des viersemestrigen interfakultären Masterstudiums „Interdisziplinäre Geschlechterstudien“ an der Universität Graz
- 2005 Erste Dekanin der Universität Graz: Ursula Schneider, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
- 2011 Erste Rektorin der Universität Graz: Christa Neuper (bis 2019), nach 427 Jahren Universität Graz
- 2021 Anteil der Studentinnen der Uni Graz an der Gesamtzahl der Studierenden liegt konstant bei 62%
- 2021 Anteil der Professorinnen der Uni Graz an der Gesamtzahl der Professuren liegt (nach 28% im Jahr 2014) bei 34,5%